Moin,
nachdem ich nun mit Manfred den RYA Yachmaster (offshore) bestanden habe, möchte ich einige persönliche Eindrücke dazu wiedergeben. Zum Ablauf der theoret. und prakt. Ausbildung ist schon viel geschrieben worden, u.a. von Conny (Fireangel), so dass ich auf einen kompletten Bericht verzichten möchte. Alles was ich hier schreibe, ist meine Wahrnehmung (wie sonst auch), ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich nicht objektiv sein kann.
First look: Wenn man das Ausbildungsboot, in unserem Fall eine Sigma mit 11 m zum erstenmal sieht, schaut man vermutlich etwas sparsam. Die "Tom Foolery" ist ca. 30 Jahre alt, fast jede Woche unterwegs (auch im Winter) und sieht auch so aus. Sie liegt in einem eher werftähnlichen Umfeld, dass man kaum als Marina bezeichnen kann und den Gesamteindruck des eher Einfachen noch unterstreicht. Dennoch ist sie sehr schön zu segeln, sicher, stabil und lag mir gut in der Hand. Letzteres lag vermutlich daran, dass der Riss meinem eigenen Boot sehr ähnelt. Die Ausstattung entpricht den Vorgaben der RYA, die Schulungsboote (ähnlich wie in D), zulassen muss. Rettungsinsel, bequeme Automatikwesten usw. alles da. Auf das Finish legen die Briten offenbar weniger wert, innen wie außen gab es viel kleine Schadstellen, die aber als "optisch" zu werten sind. Ärgerlicher waren da schon kleine Fehler in der Elektrik (Kartenlampe defekt, Anzeige des Dampferlichts auf dem Panel defekt usw.). Der Platz im Boot teilte sich auf eine Heckkabine auf, die dem Instructor/Examiner vorbehalten ist, einem Vorschiff mit 2 kurzen Plätzen und einem Salon mit 2 langen Schlafplätzen. Da schon auf den ersten Blick klar war, dass weder Manfred und ich vorne Platz finden würden, kamen wir im Salon zu liegen. Die beiden Mitsegler Susan (D) und Richard (GB) waren bereit, sich vorne niederzulassen. Zum Glück hat Susan als Frau das mitgemacht und zum Glück war sie klein und zierlich. Auch Richard war eher kpompakt. 4 große Menschen hätten jetzt ein echtes Problem gehabt. Ein Ankergeschirr, dass mit seinen 50 m Kette komplett von Hand ausgebracht und eingeholt werden musste, trug zur sportlichen Ertüchtigung stark bei.
Kattle on: Die Verpflegung wurde komplett für uns gebunkert, dazu gabe es einen detaillierten Menüplan. Das wesentliche Merkmal war Haltbarkeit und einfache Zubereitung. Es gabe also Dosengerichte, Würstchen, Beacon & Eggs, Porridge usw. Dazu mittags meist Sandwiches in diversen Varianten. Mir hat es meist geschmeckt, wenn ich mit kochen dran war, habe ich schon mal variiert. Obst war ausreichend vorhanden. Der sehr enge Zeitplan hätte auch keine Gelegenheit zu größeren Gourmetaktionen gelassen. Das wichtigste Gerät war sicher der Wasserkocher, der immer wieder aktiviert wurde und zu Unmengen heißem Tee führte, was ich klasse fand. Draußen war es eher aprilwettermäßig und Tee hilft über alles hinweg, auch über versaute MOB-Manöver.
Booted & Suited... war der Lieblingsausdruck unserer Ausbilderin Karen, wenn sie uns baldigst an Deck sehen wollte. Mitte 60 mit einer
Vergangenheit in der Army im Bereich Gesundheitswesen, war sie ein sehr freundlicher Mensch, verstand sich auf direkte Anweisungen, lachte viel und oft, was sehr ansteckend war. Sie war in meinen Augen ein Volltreffer, ich habe sehr viel von ihr gelernt.
What a mess, dachte und sagte ich öfter, wenn wir uns bei viel Wind im engen Solent durch die Boote manövrierten, dabei Manöver fuhren, Segel rauf und runter (es gab keine Rollanlage), der Traveller mit Schmackes durchs Cockpit raste und es im engen Cockpit öfter mal eine Wuhling gab. Wenn man nur neue Bavarias und dergleichen gewohnt ist, benötigt man Eingewöhnung in das Cockpitlayout. Da wir in England waren, regnete es öfter und nach dem dritten Tag in mehr oder weiger nassen Klamotten machte sich Erschöpfung breit. Wir waren alle zwischen 54 und 60 Jahre alt, eine jüngere Crew hätte das sicher besser weggepackt. Die langen Nachtfahrten taten das ihrige, denn da es erst gegen 2200 Uhr richtig dunkel wurde und es ein ausgiebiges Programm zu Nachtansteuerung gab, waren wir oft bis Mitternacht, 2 x sogar bis 0200 unterwegs. Eine dieser Aktionen sogar während der 24 Std. Prüfungsfahrt.
The old fashioned way.. ist das, was im YM-Kurs vermittelt wird. Navigieren mit Handkompaß, Logge und Echolot mithilfe der Tidentabellen usw. Der Reeds war unsere Bibel. Ungewohnt, wenn man GPS oder Chartplotter gewohnt ist. Mit hat es gefallen, nochmal zurück zu den Wurzeln zu gehen. Neben unserer praktischen Segelarbeit hatten wir auch einiges an Theoriestunden an Bord, bzw. es war eigentlich immer jemand unter Deck mit der Ausarbeitung seines nächsten Pilotage Plans (Hafenansteuerung anhand einer Skizze) beschäftigt. Dazu gab es die Aufgabe, eine umfangreiche Passage Planing zu machen, in meinem Fall war das Hamble River-Cherbourg, mit Tidenkalkulation, Wacheinteilung, einer Liste benötigter Frequenzen, Wetter usw. Ich habe das erst in letzter Sekunde erledigt, weil dazu jeder den Reeds und alle Karten benötigte, wir also nur nacheinander arbeiten konnten. Das Ergebnis war Teil der Prüfung und wurde vom Examiner begutachtet.
Offshore oder Coastal... vor dieser Frage standen wir alle. Kurz vor Ende des Kurses nahm Karen jeden einzeln beiseite und besprach sich mit ihm. Dabei gab sie eine Empfehlung ab. Der konnte man folgen, musste man aber nicht. Erst wenn der Examiner an Bord kam, musste man sich festlegen. Die Prüfungen unterschieden sich angeblich nur im Detail und der geforderten Perfektion, das konnte ich allerdings so nicht erkennen.
A nightmare... anders konnte man den Start in unsere Prüfung nicht bezeichnen. Wir waren am Freitag eigentlich alle übermüdet, lagen um 1300 wieder in Southampton, Karen war von Bord, und warteten auf die Prüferin. Wer konnte schlief ein wenig, wer nervös wurde, hatte ausreichend Zeit, das zu kultivieren. Steve, der die Boote betreut und am Hafen lebt, verkündete, dass es Verspätung geben wurde, da die Examinerin! im Stau stecke. Gegen 1900 wuchtete sich Carolin ins Boot, kurz, knapp, scheinbar ohne jede Freundlichkeit. Wir saßen alle ganz still im Boot, so ruhig war es noch nie. Nach Bewältigung des Papierkrams (Prüfung der Seemeilen, Erste Hilfe Kurs usw.) Dann ging es los und das Drama nahm seinen Lauf. Ich hatte den ersten Törn nach Hamble River, das war einfach, denn den hatte ich schon mal geplant. Zwischendurch MOBs. Richard, bisher unser bester Mann, zeigte Nerven und versiebte die Sache. Beim Rest war es soweit ok. Keine Rückmeldung des Examiners, weiter gings. Irgendwann um 0200 waren wir im Humble River an einem einsamen Ponton ohne Landzugang. Frühstück um 0800 waren die letzten und einzigen Worte von Caroline. Zurückblieb eine tief gefrustet Crew, die sich fragte: warum machen wir das? Der folgende Tage wurde besser. Caroline zeigte sich redselig, auch in privaten Dingen, trotzdem entging ihr nichts. Richard bekam eine schwierige und sehr lange Blind-Navigation Aufgabe, die er meisterte. Es zeigte sich später, das niemand anders sowas aufwendiges machen musste. Es war seine Chance, die Schlappe vom Vortag auszumerzen und er konnte sie nutzen. Nachdem auch die Theoriefragen sowie Lights & Shapes von allen gemeistert waren, stellte sich bei mir langsam das Gefühl ein, es noch schaffen zu können. Schlußendlich waren wir um 1900 wieder fest und Carolines letzte Worte waren: You have all passed.
Summary: Die körperliche und mentale Belastung waren für mich hoch. Ich habe jedoch viel gelernt, fühle mich in Gezeitengewässern jetzt
sicherer und fand vieles von der engl. Seemanschaft interessant, aber nicht immer nachahmenswert. Ein Boot mit zwei halben Schlägen an die Klampe zu binden ist für mich nicht ok. Mein abschließender Eindruck ist, dass es in der brit. Ausbildung mehr um das große Ganze geht, das übergeordnete Verständnis wird geprüft, weniger das Detailwissen. Wenn man mal eine Lichterführung nicht wusste, war das weniger schlimm, als
wenn man bei der Frage nach der richtigen Wacheinteilung auf Nachtfahrt rumeierte. Insofern ist ein YM eine erstrebenswerte Ausbildung, aber man zahlt einen Preis dafür. Geschenkt wird einem nichts.
Nachtrag, "All has gone good" Die Probleme mit der Sprache erwiesen sich als nicht so groß, wie von mir befürchtet. Sowohl Instructor als auch die Examinerin gaben sich Mühe, mich zu verstehen. Ein ernsthaftes Problem hatte ich nie, auch dank Susan und Manfred, die zeitweise Übersetzungshilfe leisteten. Nach Manfreds Meinung sabbele ich sowieso in englisch ungehemmt drauflos, da lernt es sich schnell