SBF-See, haarscharf an der Blamage vorbei

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    Mein Nachbarjunge (16) macht den SBF See und bittet mich um Nachhilfe, weil nächstes WE ist Prüfung. Na klar, kein Problem. Heute Mittag sitzen wir also zusammen und er legt mir die fraglichen Aufgaben vor: Kursbeschickung und -verwandlung. Hat er nicht drauf. Nach 10 Minuten wird mir klar: ich auch nicht (mehr) ... wie geht das noch gleich ... richtige Vorzeichen, falsche Vorzeichen??? ... vom MgK zum rwK? Äh ... Mist, wie komm ich bloß aus dieser Nummer raus?


    Nützt ja nix, der Jung ist ja nicht doof, ich spiele also mit offenen Karten und sage, dass ich Zeit brauche, um mich reinzulesen. Hab ich heute Nachmittag gemacht und bin auch wieder fit. Morgen Vormittag startet der 2. Versuch


    Aber ginge euch das auch so? Mach ich ja so nie, nicht in Zeiten von Plotter, GPS und so. Jetzt kommt Klaus13 um die Ecke - ich sehe es vor mir -, hebt grinsend den Zeigefinger und erinnert an die Non-GPS-Stresswoche vor der englischen Südküste, als wir zusammen geyachtmastered haben. Schon gut, ich greife in Demut zu den alten Lehrbüchern im Regal ...


    Aber noch was anderes: kann es echt sein, dass die beim SBF See nicht über Beschickung Wind und Strom sprechen? Hat der Knabe noch nix von gehört. Kann doch nicht, oder?


    Gruß, Manfred

  • Ja, das ist so ... das ist beim SBF-See nicht Gegenstand des Prüfungstoffs. Man hat darauf bewusst verzichtet, um die Prüflinge nicht zu überfordern. Es soll nur grundlegendes Wissen vermittelt werden. Erst beim SKS wird es relevant! :winking_face:

  • Ich habe mir immer gemerkt: Vom falschen Kurs zum richtigen, mit richtigem Vorzeichen und anders herum mit falschem.

    Wind und Strombeschickung gibt's erst beim SKS. Das brauchen die innerhalb der 3 Meilen wohl noch nicht🙁. Und das, obwohl bei den Navigationsaufgaben in der deutschen Bucht gearbeitet wird!

    Gruß Kurt

  • Aber ginge euch das auch so? Mach ich ja so nie, nicht in Zeiten von Plotter, GPS und so. <...> Aber noch was anderes: kann es echt sein, dass die beim SBF See nicht über Beschickung Wind und Strom sprechen?

    Ich habe das GPS immer nur zur Positionskontrolle genutzt, Rest war und ist Kopfrechnen. Vorhalten läuft auch im Kopf ("mentale Geometre"), bin am Tidengewässer groß geworden. Dass BS/BW beim SBS nicht gemacht wird, halte ich für ärgerlich. Das ist Unter- oder Mittelstufengeometrie.

  • Für die Beschickung habe ich einen kleinen Spickzettel, nur ob ich den jetzt noch benutzen würde/könnte?? 🙁


    Hab gerade das Dilema meinen SBF vor gut 35 Jahren gemacht, nicht mehr zu finden.

    Keine Kopie. Und damit es schön Rund ist, der DMYV? Findet diesen bisher nicht im Papierarchiv. Keiner Behörde dürfte das passieren.
    Hab keiner Bock mich da nochmal hinzusetzten, mir grauts davor.


    Mit GPS und Sextant (mit dem komme ich klar) und meiner Praxis komme ich überall hin. Schein hin oder her.


    Denke, die können mir …. -passendes Smiley bitte denken -

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    ---Jetzt kommt Klaus13 um die Ecke - ich sehe es vor mir -, hebt grinsend den Zeigefinger und erinnert an die Non-GPS-Stresswoche vor der englischen Südküste, als wir zusammen geyachtmastered haben. Schon gut, ich greife in Demut zu den alten Lehrbüchern im Regal .......

    Moin Manfred,

    nun mach' Dir mal keinen Kopp, mein Freund. Ich bereite nun schon zum dritten mal meinen Start rund GB vor, bin der Meinung, dass eine Secondary Port Berechnung dafür sitzen muss und erlebe nun das dritte mal, dass ich mich wieder einlesen muss. Natürlich kenne ich die GB Version des "Tide-Calculators" auf dem Smartphone, aber ich hätte es eben auch gerne unabhängig davon. Das verlangt aber nach Übung, die auch nicht habe.

    Ansonsten stimme ich Deiner Altmännerbemerkung gerne zu, die an unsere "Goldene Zeit" erinnert, allerdigs keine Hilfe für die "Jungen" bietet.😉

    Gruß Klaus

  • Aber noch was anderes: kann es echt sein, dass die beim SBF See nicht über Beschickung Wind und Strom sprechen? Hat der Knabe noch nix von gehört. Kann doch nicht, oder?


    Gruß, Manfred

    Das hat mich bei meinem SBF See 2020 auch enorm gestört. Da mußte ich Aufgaben lösen, bei denen völlig klar war, dass die Ergebnisse nicht einmal im Ansatz stimmen können. Es gibt sogar eine Frage nach einer Stromraute, allerdings ohne weitere Hinweise, was genau damit getan wird. Ich habe mir damals die Unterlagen für den SKS dazu geholt und die fehlenden Informationen angelesen, auch wenn man sie zur Prüfung nicht braucht (und ich vermutlich keinen SKS machen werde, da ich den Bedarf für vorwiegend Binnensegeln nicht sehe).

    Jürgen

  • Habe gerade gestern durch Zufall mal als Gast bei einer Navistunde in der Bootsschule teilgenommen. Nach kurzer Zeit war es wieder da, hätte aber die Aufgaben nicht so aus der "Hüfte" lösen können. War mal wieder nett aufzufrischen, auch wenn man es heute nicht mehr zwingend (Elektonik) braucht. Habe ich übrigens vor 15Jahren schon mal gemacht, als meine Frau den Schein gemacht hat.

    Handbreit Werner

  • Da gabs doch so eine schöne Erinnerung: von oben nach unten / von unten nach oben - so wie auch die Positionen von Rudergänger und Navigator im Boot sind. Bei Peilungen aus HPK / Fernglas die Steuertafel weglassen.

    Den Bock hab ich in Westfrankreich geschossen: völlig ignoriert, daß wir auf der anderen Seite des Nullmeridians sind und Addition/Subtraktion vertauscht. 🙄

    Holt groß das Dicht ! dillen statt chillen !

  • Man weiß ja meistens - mit Glück - das, was man öfters benutzt und braucht.

    Plus eine größere oder kleinere Menge an latentem Wissen, das aus irgendwelchen Gründen auf der inneren Festplatte hängengeblieben ist.


    Ich bin ein extrem schlechter Lerner und da hilft es mir, jeden Winter als Ausbilder Leuten das ganze zu erklären.

    Das ist ein ganz guter Weg, Spaß zu haben und noch etwas für sich selbst zu tun...


    Ich finde es völlig okay, dass im SBF-See keine BW und BS gemacht wird.

    Der Schein hat in meinen Augen jetzt schon etwas zu viel Navi-Ballast.

    Wer der Anwesenden hat denn hier eine Ablenkungs- und Steuertafel für sein Boot?


    Man muss sich klarmachen, dass das ein Motorbootschein ist,

    Da ist die Bootsgeschwindigkeit eher hoch und die Strecken oft kurz.

    Die Zeiten, wo man sich quer durch die Ostsee gekoppelt hat, sind nun mal vorbei.


    Und die klassische terrestrische Navi ist für mindestens 90% der Skipper höchstens noch ein Hintergrundrauschen für die real praktizierte Navi.

    Letztlich legt man in den Kursen nur eine Art Grundlagenwissen, damit die Leute wissen, was sie mit ihrer Elektronik machen sollen.


    Wir hatten auch schon mal einen älteren, sehr erfahrenen Skipper bei uns im Kurs, der sein Wissen auffrischen wollte.

    Man glaubt gar nicht, wie oft der am Staunen war.

    Weil er manches falsch in Erinnerung hatte und ganz vieles einfach nicht mehr wusste (zum Glück konnte er selbst darüber lachen).

    Ist aber ja normal.


    Holger

  • Als ewiger MM-Segler hat man auf den Plastikbooten mit Variation und Deklination kaum Probleme. Hab ich aber auch vor30 Jahren zum letzten mal gekonnt. Strom und Wind sind ja nicht wirklich ein Problem, wie schon gesagt nicht wirklich schwierig.

    Ist eben vielleicht auch kein Problem, wenn man man sein Seegebiet (z.B. Adria) praktisch auswendig kennt.

    Herzlichen Gruß - Peter Jc. :jugo:

  • Holger, beim letzten Absatz gebe ich Dir Recht. Und eine DevTabelle für unseren Plastikdampfer habe ich auch nicht und Mw an der deutschen Küste ist aktuell nicht wirklich relevant. Aber dass BS / BW für's Navigieren auf einem Segler wichtig sind, würde ich zumindest links von SH so sehen;-) BW BS hilft auch auf einem Motorboot auf Strecke.

    Und der Weg dahin geht dann verstehensmäßig über Dev / Mw. Auch wenn ich es hier praktischerweise ignorieren kann.

    Edited once, last by rwe: Teppfihler ().

  • Bestimmte Sachen (angesprochener Sachverhalt des Themenstarters) hat man uns/mir beim Studium eingemeißelt. Insbesondere die Eselsbrücke dazu, um das nicht durcheinanderzubringen ist genial. Allerdings haben wir/ich das mit den deutschen Begriffen gelernt, das prägte sich dann noch mehr ein. Die englischen Begriffe kamen dann erst mit der Wende.

    Gruß Torsten


    kis
    keep it simple

  • Tja, dazu mal ein Gedanke:


    In einer engen Gasse steht ein schmalbrüstiges Haus, unten residiert eine Wäscherei. Hierhin schleppen die Anwohner ihre Schmutzwäsche. Der Eigentümer beschäftigt eine Handvoll Wäscherinnen, die die Wäsche mit irgendwelchen Ingredienzien einweichen, sie dann schlagen, rubbeln und treten. Neben dem Haus unterhält der Eigentümer eine Latrine, in der er von den Hausbewohnern und Passanten Urin sammelt, den er dann zum Bleichen der Wäsche verwendet. Getrocknet wird auf dem Flachdach.


    So geschehen im alten Rom. Heute nutzen wir Waschmaschinen.


    Ähnlich ist das mit Papierkarten, Kursbesteck, Kreuz-/Versatz- und sonstiges Verpeilen und ähnlichen alten Zöpfen. Nichts gegen das Wahren der Tradition. Als Liebhaberei, Hobby, Gehirnjogging. Aber das hat mE nichts mit zeitgemäßer Navigation zu tun. Und klar, dass die "Alten" wehmütig auf die guten alten Fähigkeiten zurück blicken, die man sich so mühsam angelernt hat, und die Vereins- und Verbands-Oberen ein herrliches Betätigungs- und Prüfungsfeld nicht aufgeben mögen.


    Tradition ist nicht das Halten der Asche, sondern das Weitergeben des Feuers.

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    So, ich denke, ich hab's ganz anständig hinter mich gebracht - und selbst dabei gut gelernt. Ist ja immer so. Gestern Abend und heute Vormittag haben wir uns nochmal zusammengehockt und sind seinen Stoff und Fragen durchgegangen. Nun bin ich selbst fast am gespanntesten, wie er seine Prüfung Ende der kommenden Woche schafft.


    Aber wenn ich mir seine Skripte und Unterlagen so ansehe, dann habe ich doch viele Fragezeichen im Gesicht stehen. Die hatten im Kurs noch nie eine echte Seekarte zu sehen bekommen, immer nur Kopien daraus (teilweise sehr schlechte Kopien). Die fahren die Praxis mit einem kleinen Mobo hier im Hafenbecken des Dormund Ems Kanals. Die navigieren auf kopierten Karten in der Deutschen Bucht, reden aber nicht über Strom- und Windversatz, haben keine Ahnung von Gezeiten. Und bekommen am Ende den SBF SEE!


    Ok, BW und BS erspart man ihnen, weil man sie nicht überfordern will. Aber selbst die seltensten Lichter- und Signalkörperführungen müssen sie draufhaben. Und ach ja, den Besteckversatz, den müssen sie auch können, der ist natürlich ganz wichtig, wenn man schon BW und BS als seine Hauptursachen weglässt (und die Nordsee ohne Wind und Strom als Ententeich darstellt).


    Mein fehlendes Verständis liegt vermutlich an meinem Alter. Oder am "Besteckversatz" zwischen des jungen SBF-Schöölers und meinem Alter ... :confused_face:


    Gruß, Manfred (der noch nie nen Besteckversatz in der Praxis ermittelt hat)

  • Ich sehe das komplett anders. Ohne den Nutzen elektronischer Navigation in Zweifel zu ziehen, denke ich, dass man ein paar Grundlagen kennen muss. Letztlich macht auch das GPS nichts anderes als Triangulation, nur dass die Standlinien nicht optisch ermittelt werden, sondern durch Signallaufzeiten.

    Ich hab es Mal mit elektronischer Karte probiert, und es hat mich nicht überzeugt. In Tricky Gewässern würde ich das sicher auch nutzen, aber in den Bodden brauch ich das nicht. Und Endekave, Mön, Arhus, Middelfart etc hab ich auch so gefunden.

    Ich brauche keine Therapie. Ich muss nur segeln.

  • Well done, old fellow!


    Ich denke, Dir hat es Spaß gemacht, und der junge Mann mag es als Eintrittsleistung in die Welt des Segelns ansehen. Die praktische Relevanz bleibt bestritten.

    MuSui1HWuK


    Wolfgang