Ankerkralle für Chartertörns

  • Hallo zusammen,


    ich habe mich nach einigen Schwierigkeiten beim Ankern auf meinem letzten Törn etwas intensiver mit der "Ankertheorie" beschäftigt und würde mir nun gerne eine Ankerkralle zulegen, mit der ich den Ruck auf den Anker etwas dämpfen kann.

    Ich chartere in der Regel Segelyachten von 40 bis 55 Fuß. Die Ankerketten habe ich mir noch nie im Detail angeschaut. Kann ich bei der Bootsgröße davon ausgehen, dass es sich um 10 oder 12 mm Ankerketten handeln sollten?


    Mein Plan wäre nun eine Ankerkralle für 10/12mm Ketten zu kaufen und zusätzlich zwei Ruckdämpfer und eine Leine mit ordentlich Reck zu verwenden.

    Als Leine habe ich die Liros Handy Elastic ins Auge gefasst. Ich würde sie mit einem Hahnepot an der Ankerkralle festmachen und dann über die beiden Ruckdämpfer auf die beiden Bugklampen legen.

    Ich hätte 15 m Leine gekauft. Damit hätte ich etwa 6 m Leine zwischen Klampen und Ankerkralle. Ist das zu wenig oder zu übertrieben viel?

    Für die Auslegung der Leine habe ich etwas mit https://anchorchaincalculator.com/ rumgespielt und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass die Leine bis zu 2000 daN Zug aushalten können sollte. Entsprechend würde ich 10 mm Leine mit einer Bruchlast von 2500 daN nehmen.

    Sind meine Annahmen für euch so plausibel oder hättet ihr noch Verbesserungsvorschläge?


    Vielen Dank schon mal! :slightly_smiling_face:

  • Der Plan ist grundsätzlich vernünftig. In der Größe wirst du i.d.R. 10er Kette vorfinden. 12er oder 13er vielleich am oberen Ende des Bereichs, aber die Charterfirmen sparen ja meist. Zur Not musst du die Leine mit einem Stopperstek auf die Kette setzen.


    Ich würde die Leine allerdings in 16mm nehmen und die dazu passenden Ruckdämpfer (Original Forsheedas). Je fetter der Dämpfer und die Leine desto mehr Energie können sie aufnehmen. Wenn du eine hochelastische Leine nimmst wie die Handylastic dann hat die 20% Dehnung. Ich weiß nie so recht, worauf sich diese Angabe kräftemäßig bezieht. Ich vermute das ist die maximale Dehnung vor Bruch. Das würde eher für eine dünnere Leine sprechen.


    Die Länge der Dehnung ist aber nicht das Entscheidende sondern wieviel Energie das System aufnehmen kann.


    Das ganze in 16mm ist allerdings schon eine ordentliche Nummer fürs Fluggepäck. Wahrscheinlich wirst du hier einen Kompromiss machen müssen. Eventuell solltest du statt der Handylastic die Liros Moorex nehmen. Die ist deutlich leichter bei fast gleicher Dehnung.

  • Das mit dem Fluggepäck ist tatsächlich ein wichtiger Hinweis und wahrscheinlich auch der Punkt, wo ich einen Kompromiss finden muss. Ich fliege wenn möglich mit Handgepäck, d.h. ein kompaktes Ausmaß wäre sehr hilfreich.

    Wieso würdest du denn die 16 mm Leine nehmen? So lange die Bruchlast der Leine nicht erreicht wird, sollte es doch keinen Unterschied machen, welchen Durchmesser ich nehme, oder?

    Findest du die 2500 daN max. Bruchlast der 10 mm zu gering? Es gäbe dazwischen ja auch noch 12 und 14 mm.

    Wo finde ich denn das Gewicht der unterschiedlichen Leinen? Auf der Herstellerseite habe ich dazu nichts gefunden.

  • Ich glaube, ich würde keine Kralle nehmen, sondern einen Stopperstek einbinden. Der geht auf jede Kette und wiegt nichts.


    Wg. Leinendicke: Man kann die Länge des Hahnepot ja so einstellen, dass nach 20% der Leinendehnung (bei der Handy Elastic; bei anderen Leinen entsprechend) die Kette strack kommt. Bis zu diesem Punkt hast Du dann schon 2500 daN "entruckt", riskierst aber keinen Leinenbruch.

    Arbeite am Unterwasserschiff. :grinning_squinting_face:
    Segle mit nur ein Jahr altem Unterwasserschiff. :grinning_squinting_face:
    Irgendwann muss ich wieder ans Unterwasserschiff. :loudly_crying_face:

  • Das mit dem Fluggepäck ist tatsächlich ein wichtiger Hinweis und wahrscheinlich auch der Punkt, wo ich einen Kompromiss finden muss. Ich fliege wenn möglich mit Handgepäck, d.h. ein kompaktes Ausmaß wäre sehr hilfreich.

    Wieso würdest du denn die 16 mm Leine nehmen? So lange die Bruchlast der Leine nicht erreicht wird, sollte es doch keinen Unterschied machen, welchen Durchmesser ich nehme, oder?

    Findest du die 2500 daN max. Bruchlast der 10 mm zu gering? Es gäbe dazwischen ja auch noch 12 und 14 mm.

    Wo finde ich denn das Gewicht der unterschiedlichen Leinen? Auf der Herstellerseite habe ich dazu nichts gefunden.

    Also das im Handgepäck mitzunehmen wirst du vergessen können. Außer du hast nur noch eine Badehose dabei.


    Warum 16mm? Das hat mit der Bruchlast nur indirekt zu tun. Ich habe hier mal ein Diagramm gefunden für die Liros Leinen:


    Bruchlasten Seile | Tauwerk | Leinen
    Bruchlast und andere Begriffe | Berechnung | Was hat es damit auf sich, was sind Arbeitslast, Arbeitsdehnung oder Reck?
    www.seileundmeer.de


    Wie man da sieht, erreicht Handylastic die 20% Dehnung bei 12.5% der Bruchlast. Das wären bei deiner 10er Leine also bummelige 300 daN. Danach findet keine Dämpfung mehr statt. Und während du die Bruchlast in der Praxis vermutlich die erreichen wirst, wirst du die 300 daN beim Ankern oft erreichen.

    Wenn du jetzt eine Leine mit doppelter Bruchlast nimmst bist du aber schon bei 600 daN. Damit, insbesondere in Verbindung mit Forsheedas, bist du auf der sicheren Seite auch stärkere dynamische Belastungen abfangen zu können.


    Hinzu kommt, dass jeder Knoten die Bruchlast einer Leine je nach Knoten bis zu 50 % reduziert und dickere Leinen natürlich auch Schamfilen länger aushalten.


    Anmerkung am Rande: Ein Nachbar von mir meinte es sei eine tolle Idee wegen der Bruchlast eine dünne Dyneema Leine für den Snubber zu nehmen. Ich muss sicher nicht betonen, dass so etwas eine gaaanz schlechte Idee ist.


    Ein Original Forsheda Dämpfer der Größe 3 (18-20 mm) benötigt bei drei Wicklungen übrigens 350 daN für die maximale Dehnung. Eine Nummer kleiner (14-16 mm) sind es nur noch 250 daN.

  • Vielen Dank für den Input! Insbesondere so ein Diagramm mit der Dehnung und Last hatte ich gesucht, aber nicht gefunden.

    In dem Fall stimme ich dir zu, dass 16mm wohl der geeignete Durchmesser ist, der allerdings auch mein Gepäck ganz schön belasten würde.


    Vielleicht sollte ich so lange ich noch chartere doch die pragmatische Lösung von Robulla verwenden und einfach einen Festmacher per Stopperstek auf die Ankerkette legen.

    Gibt es dazu Erfahrungswerte? Reicht es einfach 5 m Festmacher einseitig auf eine Bugklampe zu legen oder sollte ich mir irgendeine Hahnepot-Konstruktion basteln, um die Belastung gleichmäßig auf beide Klampen zu legen? :thinking_face:

  • Da genügt ein einfacher Festmacher ohne Hahnepot. Du wirst im Urlaub (welches Revier?) wohl nicht bei sehr großen Windstärken Ankern wollen.

    Mit fünf Metern solltest du hinkommen.

    Gruß, Klaus

  • Danke!

    Ich hatte in den Kykladen bei Böen bis 40 kn und schlechtem Ankergrund etwas Probleme.

    Wahrscheinlich hätte da der Festmacher schon geholfen.

  • Was macht man dann in so einer Situation am besten?


    Wir waren in einer Bucht mit schlammigem Ankergrund bei 30 kn ablandigem Wind mit Böen bis zu 40 kn.

    Ich habe diverse Ankerversuche in 3 bis 6 m Tiefe mit Kettenlängen von 30 bis 45 m unternommen und versucht den Anker behutsam einzugraben. Früher oder später ist er allerdings immer ausgebrochen.


    Nach meiner Recherche würde ich jetzt eher eine tiefere Stelle um 10 m wählen und ~50 m Kette legen mit einem Snubber, um die Rucke zu dämpfen.


    Bin für eure Tipps und Erfahrungen in solchen Bedingungen dankbar :thumb:

  • Wenn ich weiß, dass da 40kn anrauschen, suche ich mir einen Ankerplatz mit schönem Sandgrund. Ist das nicht möglich ankere ich auf 7-8m und haue mindestens 60 m Kette raus, wenn Platz ist auch gerne mehr, und vertraue meinem Ankeralarm.


    Auf zweitklassigem Grund ist im Flachwasserbereich (3-5m) Faktor 5 bei Kettenlänge zu wenig, auch wenn das auf Sandgrund halten sollte. Auch immer die Höhe der Bugrolle mit einbeziehen. Wird gerne vergessen.


    Lakki auf Leros ist so ein klassisches Beispiel. Schlammgrund und öfters mal 40kn in Böen. Da gehen regelmäßig Schiffe auf Drift, meins eingeschlossen :O. Bis vor kurzem konnte ich da kein System entdecken, bis mir klar wurde, dass das immer im Flachwasserbereich passierte. Im tieferen Wasser gab es keine Probleme.

    Also entweder im Flachwasserbereich mindestens auf Faktor 7 gehen oder in tieferem Wasser ankern.


    Es gibt auch Ecken, da würde ich mich bei mehr als 20kn nicht mehr hinlegen. Livadi auf Serifos ist so eine. Auf der anderen Seite steht dann z.B. Kefalos auf Kos (wo ich gerade liege). Da hätte ich auch bei 60kn keine Bedenken.

  • Es gibt auch Ecken, da würde ich mich bei mehr als 20kn nicht mehr hinlegen. Livadi auf Serifos ist so eine. Auf der anderen Seite steht dann z.B. Kefalos auf Kos (wo ich gerade liege). Da hätte ich auch bei 60kn keine Bedenken.

    Volltreffer! Meine schlechten Erfahrungen stammen genau aus Livadi auf Serifos :grinning_face_with_smiling_eyes:

    Dann nehme ich für das nächste Mal mit, bei solchen Bedingungen eher im tieferen Wasser mit mehr Kette zu ankern.

  • Auf jeden Fall auch den Vercharterer mal nach einer Ankerkralle fragen - bei Skorpios auf Lefkas zum Beispiel ist immer eine (einfache) mit an Bord. Zum Festmacher mit Stopperstek - das klappt nicht immer, oft ist der Ankerbeschlag zu schmal, um den dicken Knoten da durch zu bekommen. Den Knoten vor dem Beschlag zu befestigen, erfordert schnell fortgeschrittene Akrobatik. Der "Snubber" ist ja primär zur Entlastung der Ankerwinsch gedacht, ich kann mir kaum vorstellen, dass bei 40m Kette im Wasser ein paar Meter Leine "ganz oben" einen großen Unterschied bei der Ankerbelastung "ganz unten" ausmachen.

  • Wie man da sieht, erreicht Handylastic die 20% Dehnung bei 12.5% der Bruchlast. Das wären bei deiner 10er Leine also bummelige 300 daN. Danach findet keine Dämpfung mehr statt.

    Moin,


    sicher, dass nach 20% Dehnung keine weitere Dehnung/Dämpfung mehr erfolgt?

    Viele Grüße
    Jens


    --

  • Moin,


    sicher, dass nach 20% Dehnung keine weitere Dehnung/Dämpfung mehr erfolgt?

    Da musst du den Hersteller fragen. Ich interpretiere die Angaben so, dass das die maximale Dehnung ist, jedenfalls solange wir uns im Bereich der sicheren Arbeitslast bewegen.


    Klar, bei Erreichen der Bruchlast dehnt sich die Leine noch mal ordentlich :runner:.

    Der "Snubber" ist ja primär zur Entlastung der Ankerwinsch gedacht, ich kann mir kaum vorstellen, dass bei 40m Kette im Wasser ein paar Meter Leine "ganz oben" einen großen Unterschied bei der Ankerbelastung "ganz unten" ausmachen.

    Jein, die Entlastung der Ankerwinsch ist ein positiver Nebeneffekt, aber die Hauptaufgabe eines Snubbers ist es, die Einleitung dynamischer Lastspitzen durch Böen oder Wellen in den Anker zu vermeiden oder wenigstens zu reduzieren.


    Solange noch Durchhang in der Kette ist, kann die Kette alleine die Lastspitzen aufnehmen. Da ist der Snubber in der Tat arbeitslos.


    Wenn die Kette aber schon durch den statischen Winddruck steif kommt und keinen nennenswerten Durchhang mehr hat, kann sie auch keine dynamischen Kräfte mehr aufnehmen. Dann erst greift der Snubber und rettet dir hoffentlich den Ankerhalt bzw. alternativ die Verankerung der Ankerwinsch.

  • Da muss man nicht notwendigerweise ankern. Livadi hat einen Hafen und wir haben dort vor zwei Jahren gern gelegen.

    Das war auch unser bevorzugter Plan, aber nachdem da in der Hauptsaison kein Plätzchen mehr frei war, habe ich mich mit der Ankerbucht anfreunden müssen.

  • Da muss man nicht notwendigerweise ankern. Livadi hat einen Hafen und wir haben dort vor zwei Jahren gern gelegen.

    Richtig, und ich mag den Hafen auch, wenn ich Innenseite Außenmole längseits gehen kann. Die Verzweifelten, die bei vollem Hafen an der Außenseite Außenmole RK festmachen, haben aber das gleiche Problem wie Ankerer.

    Während meiner Zeit dort haben mehrere Schiffe "umgeklappt" als der Anker nicht mehr hielt. Eines konnten wir nur durch massiven Fendereinsatz vor Schaden retten, während die Crew von der Chora aus nur hilflos zuschauen konnte.